Ein heute vom Marktforschungsunternehmen Berlecon Research veröffentlichter Bericht zeigt, dass umfassende RFID-Lösungen für den gesamten Pharma- und Gesundheitssektor derzeit noch mehr Vision als Realität sind. Die Konkurrenz mit bestehenden Barcode-Systemen, ein unklarer Business Case und der Datenschutz seien wesentliche Hürden bei der RFID-Einführung, so die Analyse im Auftrag des Berliner Forschungszentrums Internetökonomie „InterVal“. Unternehmensübergreifende Lösungen würden sich deshalb nur sehr langsam verwirklichen lassen.
Der Pharma- und Gesundheitssektor wird oft als Vorreiter für den Einsatz von RFID-Funkchips genannt. Dort sollen RFID-Lösungen nicht nur die Effizienz der Lieferkette verbessern, sondern auch für mehr Medikamentensicherheit sorgen. Denn besonders in den USA haben Fälle von gefälschten Medikamenten Aufsichtsbehörden und Pharmaunternehmen alarmiert.
Technische Grundlage für die Vermeidung von Fälschungen soll eine einheitliche RFID-Infrastruktur für die ganze Branche sein: Jede Medikamentenschachtel bekommt eine eindeutige Nummer, die sowohl in einem RFID-Chip auf der Schachtel gespeichert wird als auch in einer zentralen Datenbank. Wird in der Datenbank die Wanderung des Medikaments durch die Lieferkette aufgezeichnet, erhält jede Schachtel einen eindeutigen Lebenslauf, über den sich die Echtheit überprüfen lässt.
RFID steht vor zahlreichen ProblemenDer heute veröffentlichte Bericht „RFID im Pharma- und Gesundheitssektor – Vision und Realität RFID-basierter Netzwerke für Medikamente“ zeigt allerdings, dass solche Netzwerke bislang großteils noch Vision sind. Denn die Etablierung einer einheitlichen RFID-Infrastruktur für eine ganze Branche steht in der Realität vor zahlreichen Problemen.
Oliver Günther, Sprecher des Berliner Forschungszentrums Internetökonomie sagte, „auch wenn solche Konzepte auf dem Papier überzeugend aussehen – in der Realität konkurrieren sie mit bereits existierenden Lösungen, wie Berlecon zeigt. In Deutschland sind das zum Beispiel etablierte Barcode–Systeme in Großhandel und Apotheken und die Identifikation von Medikamenten über die Pharmazentralnummer (PZN). So eine Konkurrenz erschwert, wie in anderen Branchen auch, eine schnelle Einführung von umfassenden RFID-Lösungen.
„Eine weitere Herausforderung sehen die Analysten im Business Case. Zwar sprechen neben der Arzneimittelsicherheit noch weitere Argumente für den RFID-Einsatz. Allerdings unterscheiden sich die jeweiligen technischen Anforderungen. RFID-Systeme zur Temperaturüberwachung oder für die Optimierung der Logistik müssen anders aufgebaut sein als solche für die Erhöhung der Fälschungssicherheit. Weil oft getrennte Systeme notwendig sind, lassen sich die Vorteile nicht einfach aufsummieren.
Datenschutz ist entscheidend
Letztlich muss auch der Datenschutz berücksichtigt werden. Die Sensibilität ist hier noch höher als schon beim Einsatz von RFID im Supermarkt, denn Medikamente können Rückschlüsse auf Krankheiten zulassen. Dem unbemerkten Auslesen von RFID-Chips auf Medikamentenpackungen müssen deshalb alle Lösungen einen Riegel vorschieben, wenn sie nicht an Akzeptanzproblemen scheitern wollen.
„Wir gehen aufgrund der Herausforderungen davon aus, dass sich umfassende RFID-Lösungen im Pharma- und Gesundheitssektor nur sehr langsam durchsetzen werden“, so Andreas Stiehler, Analyst bei Berlecon Research. „Weil sich die Probleme bei wenigen Beteiligten und klaren Anforderungen leichter lösen lassen, erwarten wir, dass sich zunächst Insellösungen herausbilden, etwa für einzelne Länder oder einzelne Segmente der Lieferkette.“